Machbarkeit durch Kompromiss

Jörg Radek, GdP-Vorsitzender in der Bundespolizei

Deutschland hat am 24.September gewählt. Erstmals sind im Parlament sieben Parteien vertreten. Eine Regierungsbildung würde schwierig werden. Nachdem die Strategie der Gespräche  hinter verschlossenen Türen und auf dem Balkon gescheitert ist, hat die Meditation via Talkrunden und Interviews begonnen. Auch bei der bisherigen Länge der Verhandlungen ist für den Außenstehenden nicht erkennbar, ob mit dem „festen Willen“ der Einigung verhandelt wurde. Es gibt einen Wählerauftrag und der ist mit einer Verhandlungsrunde und der Sondierung einer Möglichkeit nicht erschöpft! Der erste Versuch, Gemeinsamkeiten zu sondieren ist gescheitert. In der Verfassung steht nicht, wie viele Versuche dafür gebraucht werden dürfen. Richtig ist, damit ist erstmalig eine Situation in Deutschland eingetreten, die es bisher nicht gab. Doch es gibt Verfahrensregeln. Das Land befindet sich also in keiner Krise. Wir haben vor zwei Monaten gewählt. Der Auftrag lautet, mit diesem Ergebnis eine Regierung zu bilden! Ein gescheiterter Versuch ist nicht gleichbedeutend mit Neuwahlen. Der Bundespräsident und der Bundestagspräsident haben sich mit mahnenden Worten an die Parteien gewandt. Sie dürfen sich „nicht weg drücken“ und wer Kompromisse findet, ist kein „Umfaller“. Eines dürfen die Parteien nicht, sie dürfen die Verantwortung nicht von sich weisen!

Unsere Geschichte und unsere Verfassung zu kennen ist wichtig, um danach zu handeln. In der Weimarer Republik konnte der Reichspräsident  auf Vorschlag des Reichskanzlers den Reichstag auflösen und Neuwahlen herbeiführen. Jeder der sieben gewählten Reichstage wurde innerhalb einer  Zeitspanne von elf Jahren vorzeitig aufgelöst. Daraus zogen die Autorinnen und Autoren des Grundgesetzes ihre Konsequenzen. Kanzlerwahl, Auflösung und Neuwahlen gemäß dem Grundgesetz sollen Stabilität in einer parlamentarischen Demokratie gewährleisten. Richtig ist,  dass in der fast siebzigjährigen Geschichte der Bundesrepublik bisher fünfmal die Vertrauensfrage gestellt wurde. Mit der Antwort auf sie durch die Abstimmung im Parlament wird die Stärke und Mehrheit deutlich, die hinter dem- oder der Kandidatin steht.  Dreimal nur wurde die Vertrauensfrage mit dem Ziel einer Parlamentsauflösung gestellt. Die Vertrauensfrage im Jahr 1982 führte zu einer Befassung durch das Bundesverfassungsgericht. Es  musste die Frage beantworten, ob es trotz regierungsfähiger Mehrheit, zu einer Parlamentsauflösung hätte kommen dürfen. Das oberste Gericht stellte fest, der Art. 68 GG ist keine Regel, bei ausreichender Mehrheit die Vertrauensfrage mit Ziel der Auflösung zu stellen.Als Beamtinnen und Beamte wissen wir und erleben wir, wie wichtig die Einhaltung von Recht und Gesetz für die staatliche Ordnung in unserem Land ist. Es gilt die Verfassung und deren Möglichkeiten wurden bisher nicht ausgelotet.

Eine stabile Regierung ist für ein Land in gesellschaftlich bewegten Zeiten wichtig. Vorausgesetzt, die Gespräche zur Bildung einer Regierung und die damit verbundene Wahl eines Bundeskanzlers scheitern und es käme zu Neuwahlen, hätten wir ein Wahlergebnis nicht früher als etwa in 80 Tagen. Je nach Ausgang wäre eine neue Bundesregierung im Frühsommer 2018 im Amt. Wer jetzt Neuwahlen den Vorrang vor Kompromissbereitschaft gibt, riskiert viel. Ein Wählervotum über Inhalte und Ziele gibt es seit September 2017. Eine neuerliche Abstimmung wäre eine Notenvergabe für Betragen und Verhalten nach den Wahlen.

Es gibt einen Verdruss über das Erscheinungsbild der politischen Elite in diesem Lande. Diese müssen ihre innerparteilichen Machtspiele beenden. Innerhalb ihrer Parteistrukturen  zurück finden zur  Machbarkeit und Problemlösung durch Kompromisse, um Gutes für die Menschen im Land zu bewirken.

Share


Source: RSS aus GdP Bundespolizei