Berlin. Unter dem Eindruck der Finanz- und Wirtschaftskrise trafen sich Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer sowie die Vorsitzenden der DGB-Einzelgewerkschaften am 28. August 2009 zu einem mittäglichen Meinungsaustausch im Bundeskanzleramt. Die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise, so räumte die Kanzlerin ein, sei noch lange nicht überwunden. Die öffentliche Wahrnehmung der Situation entspreche nicht der Realität. Trotz aller erfreulichen Meldungen werde es in diesem Jahr ein Schrumpfen der Wirtschaft um 5 bis 6 Prozent geben. Die von GdP-Chef Konrad Freiberg vorgetragene Sorge, dass es ob dieser Lage zu weiteren Sparmaßnahmen bei den öffentlichen Haushalten kommen könne, versuchte die Kanzlerin zu zerstreuen. Der zu erwartende langsame Aufschwung, so Merkel, dürfe nicht durch Sparen gefährdet werden. Hinsichtlich möglicher neuer Regierungskoalitionen nach der im nächsten Monat stattfindenden Bundestagswahl warnten die Gewerkschafter vor dem Abbau von Arbeitnehmerechten.
Weitere Themen des Gesprächs waren die Ausbildungsmisere, das so genannte Guttenberg-Papier, der Kündigungsschutz, die Tarifautonomie und der Umgang mit Opel. Die Themen Arbeitslosengeld und Altersteilzeit wurden auf die Zeit nach der Wahl vertagt und ein erneutes Treffen für den Oktober vereinbart.
Rolle der Gewerkschaften gewürdigt
Bundeskanzlerin Merkel dankte in ihrem Eröffnungsstatement den Gewerkschaften. Sie seien ein wesentlicher Teil der Erfolgsgeschichte des Konjunkturprogramms der Regierung. Die tägliche Arbeit mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und auch die tägliche Arbeit der Betriebsräte hätten wesentlich dazu beigetragen, dass die Instrumente des Konjunkturpakets angenommen wurden. Insbesondere die Kurzarbeit, die natürlich für viele Unternehmen ein ganz wesentlicher Punkt seien, aber auch das Infrastrukturprogramm sowie die Stützungsmaßnahmen in der Automobilindustrie nannte die Kanzlerin.
Merkel: „Die Tatsache, dass wir jetzt eventuell die Talsohle erreicht haben, darf nicht darüber hinweg täuschen, dass dies die mit Abstand schwierigste Wirtschaftskrise ist, die die Bundesrepublik Deutschland in 60 Jahren jemals zu bestehen hatte. Das Minus in diesem Jahr beträgt 5 Prozent oder 6 Prozent. Bis jetzt betrug der größte Einbruch in den 70er Jahren 0,9 Prozent. Das heißt also, die Krise ist auf dem Niveau der Talsohle nicht etwa vorbei, sondern wir müssen jetzt alles daran setzen, dass wir erst einmal wieder dort ankommen, wo wir vor der Krise waren, und diesen Wachstumspfad jetzt miteinander gestalten. Dabei setze ich auf die Instrumente der Mitbestimmung, auf die Verantwortung der Gewerkschaften und Betriebsräte.“
Merkel versprach den Gewerkschaftsvertretern, sich intensiv um die Ausbildungssituation zu kümmern: „Wir haben ein großes Interesse daran, dass jeder Schulabgänger einen Ausbildungsplatz bekommt. Wir verschließen nicht die Augen davor, dass es eine Gruppe erheblicher Größe von jungen Menschen gibt, die in den vergangenen Jahren keinen Ausbildungsplatz bekommen haben. Drittens müssen wir uns darum kümmern, wie es mit denen aussieht, die jetzt mit der Lehre fertig werden. Werden sie übernommen, und muss an dieser Stelle noch nachgesteuert werden? – Das ist jedenfalls etwas, das mich interessiert.“
Michael Sommer, DGB-Vorsitzender, nahm die Themenvorlage auf und erweiterte die Gruppe der Arbeitsplatzsuchenden um die große Zahl von Hochschulabsolventen, die jetzt fertig aus dem Studium kämen, in die Betriebe wollten, insbesondere in die großen Industriebereiche, und jetzt, in der Krise, sehr schwierige Bedingungen für Beschäftigung vorfänden.
Irritiert zeigten sich Sommer über womöglich auch dem Wahlkampf geschuldete, aber zunehmende Äußerungen, die darauf zielen, erkämpfte und sinnvolle Arbeitnehmerrechte, die gerade in der Krise ihre positive Wirkung zeigen, in Frage zu stellen, „ob es jetzt das so genannte Guttenberg-Papier ist oder jüngste Äußerungen einer Partei, die gerne in die Regierung möchte, beziehungsweise von Wirtschaftsverbänden zum Kündigungsschutz und Arbeitnehmerschutzrechten sind.“
Quelle: www.gdp.de